Satteldecke für Motorräder der 50'er Jahre aufziehen
(Pagusa-Sattel)
Als ich zum ersten Mal vor dieser Aufgabe stand, war dies ein echtes Problem!
Schon bei der Demontage meiner 314 hatte ich davor mehr Angst als vor anderen, mechanischen Herausforderungen.
Wenn man weiß, wie es geht, ist die Sache allerdings kein Problem. Nachfolgend eine kurze Beschreibung, wie
man ohne großen Aufwand und ohne sich die Finger zu brechen eine Satteldecke für ein Motorrad der 50'er
Jahre aufziehen kann.
Eines steht fest, alle komischen Tips die sich um das Erwärmen der Satteldecke drehen, gehören für
meine Begriffe in die Tonne. Da gibt es alle möglichen Sachen von "vor dem Aufziehen in kochendes Wasser
legen" bis "Aufwärmen im Backofen bei moderaten Temperaturen". All diese tollen Tricks machen
die Sache nicht unbedingt zu einem Kinderspiel, tragen aber einiges dazu bei, die frisch lackierten Sattelteile
innerhalb von Sekunden anzumacken, sich die Finger zu brechen (oder zu verbrennen) und außerdem glaube ich
kaum, daß eine übermäßige Erwärmung die Materialeigenschaften und die Lebensdauer des
Gummis erhöhen wird. Mein persönlicher Tip: Laßt am Besten die Finger davon.
Man braucht im Grunde genommen nur ein rechtwinkliges Metallgestell mit den Dimensionen 500 x 500 mm. Größer
muß es nicht sein. Dies läßt sich relativ einfach aus Winkeleisen verschrauben oder verschweißen.
Geeignetes Winkeleisen gibt´s in jedem Baumarkt. Der Nachteil eines solchen Gestells liegt darin, daß
es sich halt bei Krafteinwirkung auf der Werkbank bewegt. Also nach Möglichkeit irgendwie in 50 - 100 mm Höhe
befestigen. Dann hat man ein bißchen Bewegungsfreiheit. Ich hatte das Glück, daß ich aus den Zeiten
meines Studiums noch meinen alten Schreibtisch hatte, der heute als Werkbank in meiner Garage dient. Ein solides
Ding, daß als Gestell einen Vierkant-Rahmen hat. Dieser hat sich hervorragend für diese Aufgabe geeignet.
Als Erstes wurden für den hinteren Teil des Sattels auf der einen Seite des alten Schreibtischs zwei vertikale
Löcher mit Durchmesser 9 mm gebohrt. Der Abstand dieser Löcher wird durch den Abstand der Verschraubung
am Sattelgestell bestimmt. Für den Sozius sind drei Löcher notwendig.
Als zweiter Schritt wurde auf der gegenüber liegenden Seite rechtwinklig dazu (horizontal) und in der Mitte
der beiden hinteren Löcher eine weitere Bohrung angebracht, die für die Durchführung einer Gewindestange
gedacht war. Ich habe eine Stange von 14 mm verwendet, die noch von irgendwelchen anderen Arbeiten in der Garage
herum lag. 10 oder 12 mm tun es wahrscheinlich auch, da die wirksamen Kräfte nicht so wahnsinnig hoch sind.
Abreißen wird eine dünnere Stange mit Sicherheit nicht.
Diese Gewindestange habe ich dann an einem Ende mit einer Lasche versehen, hergestellt aus einem schmalen Stück
Winkeleisen von ca. 40 mm Breite. Die Lasche wurde einfach mit zwei am Ende der Gewindestange festgeschraubt (14
mm Loch bohren). Diese Lasche hat in der Vertikalen ein weiteres Loch mit 9 mm, in dem später die vordere
Schraube des Sattelgestells befestigt wird.
Anordnung der notwendigen Bohrungen
Für die beiden nächsten Arbeitsschritte ist es unbedingt erforderlich,
daß die Satteldecke im inneren Bereich gleitfähig wird. Um dies zu erreichen, kann die Satteldecke innen
z. B. mit "Spüli" oder Vaseline eingeschmiert werden. Ich habe dafür ein Muffengleitmittel
für PVC-Rohrleitungen verwendet, daß ich noch in der Garage liegen hatte. Funktioniert hervorragend
und ist auch in jedem Baumarkt erhältlich.
Als nächster Arbeitsgang muß der hintere Teil des Sattelgestells in die Satteldecke eingeführt
werden. Dabei müssen am Ende die Schrauben aus den Aussparungen (dünnes Gummi) aus der Gummidecke herausragen.
Eingeführtes Hinterteil des Sattelrahmens
Das vordere Teil des Sattelgestells wird zunächst um 180° verdreht eingeführt
und dann um 180° nach hinten gedreht, so daß auch die vordere Schraube aus der Satteldecke herausragt.
Vorderes Rahmenteil um 180° verdreht eingeführt
Vorderes Rahmenteil in Endposition vor dem Spannen
Nun wird der hintere Teil des Gestells mit den beiden Schrauben (Sozius hat drei
Schrauben) am Montagerahmen fixiert und die Lasche der Gewindestange an der vorderen Schraube befestigt.
Sattel vor dem Spannen
Als Nächstes wird die Satteldecke mit der Gewindestange gerade soweit gespannt,
daß sich das Vorderteil des Sattelgestells in das Hinterteil einführen läßt. Hierbei sollte
wirklich nur soweit wie notwendig gespannt werden.
Sattel nach dem Spannen
Danach kann die Gewindestange entspannt werden. Eventuell muß die Satteldecke
nun noch ein wenig ausgerichtet werden, damit sie auch wirklich mittig auf dem Sattelrahmen sitzt. Der Sattel sieht
jetzt wie neu aus und ab geht die Post.
Der Arbeitsaufwand ist so gering, daß die ganze Aktion locker an einem Abend erledigt werden kann, inklusive
Bau des Montagegestells. Beim zweiten Mal (z. B. für den Sozius) wird es dann entsprechend schneller gehen.
Ich denke, das Ganze ist recht einfach und auch für Nichtmechaniker verständlich. Falls dennoch jemand
weitere Erläuterungen benötigen sollte, reicht ein kleines Mail an herculestom@orange.fr. Ich wünsche viel Spaß.
Fertig aufgezogene Satteldecke
Euer Tom Münch
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